Juli 2022

Das Geschäft mit verendeten Tieren

Am Ende der Lebensmittelproduktion und am Ende eines Tierlebens steht die Tierkörperverwertung. Ein essenzieller Beitrag für die Gesellschaft, auch wenn die eigenen (Geruchs-) Befindlichkeiten hier keine Rolle spielen.

Ein stark ausgeprägter Geruchssinn ist beim Recherchieren für diese Reportage eher von Nachteil. Doch unsere gesunde Neugier und das Interesse an diesem Berufsfeld überwiegen. Im Betrieb der Tierkörperverwertung Burgenland, außerhalb des mittelburgenländischen Ortes Unterfrauenhaid, werden tote Tiere sowie die Abfälle von Schlachthöfen und die aussortierten tierischen Lebensmittel von Supermärkten „verwertet“. Klingt nicht sehr romantisch, ist aber ein wichtiger Beitrag im Lebensmittelkreislauf.

 

Mirko Ecker macht seinen Job seit 13 Jahren und hat sich sowohl an den Geruch als auch an die „Waren“, mit denen er es zu tun hat, gewöhnt. Täglich fährt er seine Tour und sammelt Tierkadaver (sogenannte „Falltiere“) von den dafür vorgesehenen Behältern auf den Bauhöfen der Gemeinden, Schlachtabfälle von Fleischhauern und abgelaufenes Fleisch aus den Supermärkten ein. Der gebürtige Neckenmarkter macht seinen Job gerne und mit bewusster Haltung. „Anfangs hatte ich damit zu kämpfen, damit konfrontiert zu sein, was täglich an tierischen Abfällen entsteht und produziert wird. Mir fehlt die Wertschätzung der Menschen. Ein Tier gibt sein Leben, damit wir etwas zu essen haben. Für viele ist es jedoch nur ein Produkt, das weggeschmissen wird, wenn das Verfallsdatum überschritten ist.“ Er selber esse auch gerne Fleisch, aber er kauft es in der Region von ihm bekannten Fleischhauern und Schlachtern oder Bio-Ware aus dem Supermarkt. „Viele gehen heute ins Geschäft, sehen dort das verpackte Fleisch liegen und denken gar nicht darüber nach, was damit vorher passiert ist, bis es dort hingekommen ist, geschweige denn wissen sie, was damit passiert, wenn sie es nicht kaufen, nur weil es heute oder morgen abläuft.“

 

Produktion.

Täglich werden in der Tierkörperverwertung Burgenland 200 Tonnen (!) an Rohware angeliefert. Jede Lieferung kommt in den „Brecher“, dort wird die Rohware zerkleinert und danach in einem großen Drehtrockner mit Rührwerk getrocknet („Nicht verbrannt, wie viele glauben!“). Bei 160 Grad verdampft die Flüssigkeit, dadurch werden auch die Keime abgetötet. Nach der Trocknung wird das übriggebliebene Material gepresst. Die Endprodukte sind Tierfett (9 %, also 90 Tonnen pro Woche) und Tiermehl (27 %, also 270 Tonnen pro Woche). Diese Produkte werden an die Industrie verkauft. Aus dem Tierfett entsteht Biodiesel und das Tiermehl geht hauptsächlich in die Zementindustrie, dort substituiert es z. B. Kohle und Staub, da das Tiermehl annähernd den Wärmewert von Braunkohle hat. Die Tierkörperverwertung Burgenland ist auf Rohware der Kat. 1 spezialisiert, das sind eben die Kadaver und Produktionsabfälle der Lebensmittelverarbeiter bzw. abgelaufenes Fleisch aus den Supermärkten, also gemischte Ware. Es werden aber auch Waren der Kat. 3 angeliefert, das sind zum Beispiel nur Knochen oder nur Federn oder nur Tierblut. Diese werden in der Umladehalle für den Weitertransport in andere Verwertungsstationen vorbereitet.

 

Vorurteile.

Seinen Arbeitsplatz empfindet Mirko als fortschrittlich und sehr sozial. „Ich habe Kollegen, die sind schon seit 30 Jahren hier. Es wird den Mitarbeiter* innen sehr viel Wertschätzung entgegengebracht.“ Dennoch werden im Betrieb mit rund 40 Mitarbeiter*innen laufend Fachkräfte gesucht (für die Instandhaltung z. B. Elektriker, Schlosser, Kläranlagenwärter, Facharbeiter für den Schichtbetrieb), erlernt kann vieles vor Ort werden. „Ich verstehe nicht, warum manche Leute lieber 100 km täglich in die Arbeit fahren, wenn sich hier im Bezirk ein so technisch modernes Unternehmen befindet, das gute Arbeitsplätze anbietet.“ Die Vorurteile, mit denen die Tierkörperverwertung zu kämpfen hat, sind seit jeher die gleichen: der Geruch und das „Arbeitsmaterial“ sind eben nicht alltäglich. Umso mehr möchte Mirko betonen, dass der Beitrag für die Gesellschaft ein wesentlicher ist. Auch die Bezahlung geht über die einer normalen Fachkraft hinaus. Zudem ist die Technik am Arbeitsplatz am neuesten Stand. Vor Jahren wurde bereits eine neue Filteranlage eingebaut, die ohne Chemie den Geruch auf ein Minimum reduziert. Die hochmoderne Anlage saugt pro Stunde 120.000 m3 Luft ab, diese wird gewaschen und dann durch den biologischen Filter gedrückt (ein Gemisch, das hauptsächlich aus Kokosfasern besteht). „Die biologischen Mikroorganismen wandeln die Geruchsstoffe um, das ist ein Wunderwerk der Natur.“ Auch emissionstechnisch ist der Betrieb auf dem letzten Stand. Durch den Einbau eines Wärmetauschers im Dampfkessel wird aus den heißen Abgasen Energie gewonnen. Die vollbiologische, betriebseigene Kläranlage trägt ebenfalls zum Umweltschutz bei. „Man merkt in der Gesellschaft: Dort, wo Blumen wachsen, ist immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Aber am Ende dieses Lebensprozesses stehen wir. Und das ist eine wichtige Aufgabe.“